Servus in die Runde, mein Name ist Marcel und ich habe eine Rot-Grün Schwäche. In diesem Gastbeitrag werde ich berichten wie sich dies auf meine Zeit bei der Bundeswehr auswirkte, was eine Farbsehschwäche überhaupt ist und was man im Kontext der Einstellung bei der Bundeswehr dagegen tun kann und was nicht. Das alles basiert lediglich auf meiner Erfahrung und eigener Recherche.
Ich bin 2014 zur Bundeswehr gegangen und erfuhr erst im Rahmen meiner Musterung, dass ich eine Rot-Grün-Schwäche habe. Dies hatte sich zuvor nicht in meinem Leben bemerkbar gemacht. Zuerst dachte ich mir dabei nichts. Als der Bundeswehr-Einplaner mir dann allerdings mit meinem T2 sagte, dass ich ca. 90% aller Verwendungen beim Bund nicht mehr machen kann, machte sich Panik breit. Doch alles Schritt für Schritt.
Was ist eine Farbsehschwäche?
Was ist überhaupt eine Farbsehschwäche? Es gibt mehrere Ausprägungen und Arten, nicht die eine Farbsehschwäche. Es befinden sich, unzählbar oft, immer wieder drei Farbzapfen in unserem Auge, die bei einem gesunden Auge die richtigen Abstände zueinander haben und eintreffendes Licht den jeweiligen Zapfen eindeutig zuordnen können. Dadurch ergeben sich die Farben, die wir im Leben sehen. Sind diese Zapfen nun zu nahe aneinander, wie bei mir, oder fehlen komplett, Farbblindheit, wird die Welt anders wahrgenommen. Jede Farbschwäche ist dabei individuell, da es maßgeblich auf die Fehlposition der Zapfen ankommt.
Die Tests zur Bestimmung eurer Farbsehschwäche
Wie findet man sowas nun heraus? Falls die Farbsehschwäche sehr stark ist, fällt dies bereits im Kindesalter auf, etwa wenn man Farben lernt oder wenn beim Ausmalen von Bildern etwas „schiefläuft“. Dies war bei mir nicht der Fall; bei mir fand dies erst die Bundeswehr mit eigens dafür konzipierten Tests heraus. Einer davon ist der Test der Ishihara-Tafeln.
Die Ishihara-Tafeln
Hier seht ihr beispielshaft eine von den Tafeln. Falls ihr eine 74 erkennt ist alles in Ordnung. Seht ihr gar nichts oder eine 21 könntet ihr, so wie ich, unter einer Farbsehschwäche leiden. Wenn ich mir sehr viel Zeit lasse erkenne ich sowohl die 7 wie auch die 4, allerdings „springt“ es mir nicht so ins Auge wie es sollte. Bei der Musterung der Bundeswehr musste ich diverse solcher Tafeln betrachten und sagen was ich sah. Ich konnte nicht eine entziffern, ich hatte zuvor auch noch nie so eine Tafel gesehen und war etwas perplex. Doch auch beim Versagen dieses Tests ist nicht alles verloren, denn diese Tafeln können nur darauf hinweisen, dass ihr eventuell eine Fehlfunktion im Auge habt. Sie geben keine Information über das Ausmaß oder die konkrete Schwäche. Also wurde ich zum Augenarzt der Bundeswehr geschickt, damit er das Ausmaß feststellen kann. Dies geschieht mit einem Anomaloskop.
Das Anomaloskop
Eure Aufgabe ist, durch das Anomaloskop zu schauen, was einem Mikroskop vom Aussehen ähnelt, und außen an Rädchen zu drehen. Mit den Rädchen sollt ihr dafür sorgen, dass die obere und untere Kreishälfte farblich identisch ist. Der Clue dabei ist, dass das unmöglich ist und es nur darauf ankommt wie sehr euer Farbgemisch in eine gewisse Farbrichtung abweicht. Jemand der zu wenig von der jeweiligen Farbe sieht wird mehr davon zu seiner Kreishälfte mischen als ein gesundes Auge es würde. Der Arzt kann somit euren Anomalie Quotienten bestimmen. Dies ist dann zugleich die endgültige Diagnose und entscheidet auch über eure möglichen Verwendungen.
Bei mir kam damals eine leichte Protanomalie heraus, also eine sehr schwach ausgeprägte Rot-Sehschwäche. Der Facharzt selbst sagte, dass ich ganz knapp an der Grenze bin, was sich auch nur in solchen Tests bemerkbar macht und nicht etwa im Alltag. Nichtsdestotrotz konnte ich meiner Wunschverwendung nicht nachgehen. Ich akzeptierte dies damals, ich konnte schließlich auch nichts anderes tun, und diente sodann bei den Gebirgsjägern, denn diese wurden von der Farbsehschwäche nicht ausgeschlossen.
An dieser Stelle sei gesagt, dass die Auswahl der möglichen Verwendungen willkürlich ist. Gebirgsjäger konnte ich werden, aber nicht Fallschirmjäger, Jäger oder Panzergrenadier. Fernspäher konnte ich werden, allerdings nur als Offizier, nicht als Feldwebel. Diese Willkür entging auch dem Arzt sowie dem Einplaner nicht. Die Vorgaben kommen allerdings von ganz oben, was deren Beweggründe sind ist bis heute nicht wirklich nachvollziehbar.
Farbsehschwäche, und nun?
Nun zum interessantesten Teil. Was kann man gegen solche Farbsehschwächen tun und was nicht? Zunächst sei gesagt, dass die Bundeswehr sich nicht für euer Schicksal bzgl. der Farbsehschwäche interessiert und euch die folgenden Möglichkeiten nicht selbständig offenlegt. Alles wurde meinerseits in den vergangenen sechs Jahren selbst recherchiert und teilweise erst durch Vitamin B entdeckt. Fakt ist, die meisten Ärzte beschäftigen sich nicht mit den Möglichkeiten, die die Bundeswehr anbietet und sofern ihr keinen Spezialisten kennt der euch darauf hinweist oder einen Kameraden kennt der ähnliches durchgemacht hat, habt ihr wenig Chancen, ohne intensives recherchieren, das folgende herauszufinden.
Beginnen wir mit dem, was nichts bringt.
Training für die Tests
Ihr könnt für die Ishihara-Tafeln und das Anomaloskop nicht trainieren. Ich habe es selbst versucht und bin danach wieder zu den Tests der Bundeswehr gegangen. Diese könnt ihr übrigens unendlich oft wiederholen, sofern ihr sagt, dass euer Gesundheitszustand sich wesentlich geändert hat. Ihr werdet bei den Tafeln, je nach Stärke eurer Ausprägung, mit etwas Training in der Lage sein, diese korrekt zu lesen. Allerdings seid ihr sehr langsam, zu langsam. Die Bundeswehr gibt euch ca. drei bis fünf Sekunden Zeit eine Zahl zu benennen. Ich persönlich habe wochenlang diverse Tafeln versucht zu lesen und bin nicht einmal annähernd an diese Geschwindigkeit gekommen. Schlimmer ist es noch mit dem Anomaloskop. Hier habt ihr zwar kein Zeitlimit, jedoch funktioniert es auch nicht, wenn ihr euch denkt, dass ihr einfach etwas weniger von der jeweiligen Farbe dazu gebt, weil ihr ja wisst, dass ihr eine Schwäche habt.
Zwar könnt ihr damit mal Glück haben, allerdings müsst ihr bei jeder größeren ärztlichen Untersuchung diesen Test wieder machen. Langfristig ist dies also auch keine zuverlässige Lösung.
Spezielle Brillen und Kontaktlinsen
Brillen und Kontaktlinsen mit jeglicher Art von Filtern, wie bspw. von der Firma EnChroma. Unabhängig davon, ob diese Brillen euch helfen oder nicht, die Bundeswehr untersagt diese Utensilien bei der Absolvierung des Ishihara-Tests und vom Anomaloskop. Für diese Gewissheit musste ich wochenlang dem Kommando Sanitätsdienst via E-Mail und auch telefonisch hinterherrennen, denn der Arzt vom Standort weiß meistens nicht einmal von der Existenz solcher Brillen und Kontaktlinsen. Der Grund für die Ablehnung ist simpel; Filter, egal welcher Art, lassen weniger Licht durch, folglich seht ihr weniger bei Nacht. Das ist untragbar für einen Soldaten. Ich hatte lange versucht solche Brillen und Kontaktlinsen mit den normalen Brillen und Kontaktlinsen für Sehschwächen zu vergleichen um somit über das Schlagwort „Gleichberechtigung“ durchzukommen. Doch das funktionierte nicht, eben wegen dem Argument bzgl. der Fähigkeit im Dunkeln zu sehen.
Das Kommando Sanitätsdienst blieb stur und diese Möglichkeit wurde abgelehnt. Erspart es euch somit solche Brillen und Kontaktlinsen zu kaufen oder zu testen. Wie dies bei der Polizei oder beim Zoll gehandhabt wird weiß ich nicht, es könnte mit derselben Begründung abgelehnt werden. Was jedoch funktioniert ist der Gebrauch solcher Brillen im zivilen Bereich, etwa als Elektriker oder Lokführer, dazu habe ich schon Berichte gelesen und Dokus gesehen, die sodann die Prüfung mit solchen Brillen und Kontaktlinsen absolvieren durften und die Ausbildung starten konnten.
Nun wissen wir was nicht funktioniert, aber was sind nun unsere Möglichkeiten? Wir haben (bis jetzt) insgesamt zwei Alternativen die Bundeswehrintern ablaufen. Die Absolvierung des Lantern-Test nach Beyne und die Ausnahmegenehmigung.
Der Lantern-Test nach Beyne
Der Lantern-Test nach Beyne ist einmalig bei der Bundeswehr in München verfügbar und diesen solltet ihr auch primär anstreben. Der Grund; Wenn ihr diesen Test besteht habt ihr in der Bundeswehr nie wieder Probleme mit der Farbsehschwäche, denn ihr erhaltet eine „Farbtauglichkeitsurkunde“. Diese wird in eure Akte gelegt und das Thema hat sich für euch erledigt. Dieser Test ist extra für Leute mit Farbsehschwäche und dient dazu eure Farbsicherheit zu gewährleisten. Der Test kommt ursprünglich aus der Fliegerei. Dies ist deswegen interessant, weil man den Test früher zivil gegen ein Entgelt von ca. 500 € so oft machen konnte wie man wollte und dort auch die begehrte Urkunde erhalten hat. Nachdem ich mich diesbezüglich mit eine der zuständigen Stellen dafür in Verbindung setzte wurde mir aber gesagt, dass dieses Angebot neuerdings nicht mehr für die Öffentlichkeit verfügbar ist, sondern nur noch für angehende Piloten mit Farbsehschwäche. Daher müsst ihr dies explizit über die Bundeswehr beantragen. Dafür braucht ihr einen Grund. Ein Auswahlverfahren oder einen Dienstposten, für den ihr durch eure Farbschwäche aktuell ungeeignet seid.
Das ist auch der Grund warum ich als Reservist noch nicht in München war, denn ich habe „keinen Grund“ diesen Test zu absolvieren, wenn er nicht für meinen aktuellen Dienstposten gebraucht wird. Ich werde diesen somit wohl erst in Zukunft bei meiner geplanten Wiedereinstellung beantragen können. Ob man den Test ggf. wiederholen kann weiß ich noch nicht, an diese Information bin ich bis dato nicht gekommen. Der Test ist sehr, sehr gut auf Wikipedia beschrieben, mit einem Beispiel was ihr tun müsst. Schaut es euch dort am besten an.
Die Ausnahmegenehmigung
Falls man auch den Lantern-Test nach Beyne nicht bestehen sollte gibt es schließlich die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung. Diese Information habe ich nun bereits von diversen Personalern und auch vom Kommando Sanitätsdienst erhalten. Im Karrierecenter wird nicht differenziert was ihr bspw. als Fallschirmjäger konkret machen wollt, wenn nur für irgendeine Tätigkeit die Farbsehschwäche hinderlich ist, etwa den Führerschein, dann ist die Verwendung für euch gestrichen. Bewerbt ihr euch allerdings für einen Dienstposten, der rein im Büro abläuft, z.B. Stabsoffizier bei den Fallschirmjägern, oder ähnliches, wo ihr keinen Führerschein benötigt, dann könnt ihr eine Ausnahmegenehmigung mit dieser Begründung beantragen und so trotzdem euren begehrten Dienstposten erhalten. Auch hier schadet ein guter Draht zu eurem Arzt und Disziplinarvorgesetzten natürlich nicht. Es ist klar, dass die Möglichkeiten der Ausnahmegenehmigung deutlich begrenzter sind, deswegen ist es ratsam auf jeden Fall den Lantern-Test nach Beyne zu versuchen.
Beispiel aus der Praxis
Mein bester Freund ist aktiver Fallschirmjäger, bei ihm im Zug hat auch jemand eine Rot-Grün Schwäche. Dieser hat bei seiner Einstellung den Lantern-Test nach Beyne absolviert und bestanden und somit sogar die Eignung für Feldwebel spezielle Operationen erhalten. Man sieht also auch, dass dies nicht nur in der Theorie funktioniert.
Fazit
Insgesamt kann man sagen, dass es definitiv problematisch ist, mit einer Farbsehschwäche zur Bundeswehr zu gehen. Doch deswegen ist nicht direkt alle Hoffnung verloren. Basierend auf eurer Ausprägung gibt es die Möglichkeit mit bestandenen Lantern-Test oder einer Ausnahmegenehmigung trotzdem den begehrten Dienstposten zu bekommen. Zwar ist dies nicht garantiert, doch zumindest ist es möglich, selbst für Spezialeinheiten und auch fliegerische Tätigkeiten die Eignung zu bekommen. Letztlich muss man noch erwähnen, dass niemand weiß, wie in Zukunft mit dieser Thematik umgegangen wird. Zu meiner Bundeswehr Zeit konnte ich trotz Farbsehschwäche Fernspäh-Offizier werden, heute nicht mehr.
Die Vorschriften und Anforderungen sind in stetigem Wandel. Deswegen beantragt alles so schnell wie ihr könnt, wer weiß wann selbst der Lantern-Test nach Beyne nicht mehr angeboten wird. Eventuell gibt es noch mehr Möglichkeiten, doch dies ist alles was ich euch bis dato sagen kann. Viel Erfolg!
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